Fiktive Länder machen Gamedesign leichter

Erdrückende Bürokratie, endlose Schlangen an Grenzübergängen, willkürliche Personenkontrollen: Papers, Please spielt eindeutig in einer gescheiterten Sowjetrepublik. Nur ist keiner der Schauplätze des Indie-Titels real, Arstotzka und seine Nachbarstaaten wie Kolechia oder Obristan sind reine Fiktion.

Erfundene Länder, die an real existierende Nationen erinnern, gibt es in unzähligen Videospielen. Sei es das bürokratische Arstotzka, die von Kuba inspirierte Insel Yara in Far Cry 4 oder das vom Krieg gezeichnete Graznavia aus This War of Mine. Doch warum machen sich die Entwickler*innen die Mühe, sich ganze Nationen auszudenken, wenn die dort stattfindenden Ereignisse genau so gut in den Vorlagen hätten stattfinden können?

"Echte Länder zu verwenden hätte meine Möglichkeiten für die Erzählung eingeschränkt", sagt Lucas Pope. Pope ist Entwickler von Papers, Please, sein bislang letztes Spiel Return of the Obra Dinn erschien 2018. "Wenn ich bereit gewesen wäre, mehr zu recherchieren, wäre das vielleicht möglich gewesen, aber die Flexibilität von fiktiven Ländern ist kaum zu überbieten." Wenn die Recherche in die Tiefe geht, steigt die Gefahr, auf Fakten zu stoßen, die nicht zur geplanten Narration des Games passen. Dann müsste die Handlung angepasst werden – oder die Fakten.

Beef mit Bolivien

2017 legte die bolivianische Regierung aus genau diesem Grund Beschwerde bei der französischen Botschaft ein. In Tom Clancy’s Ghost Recon Wildlands werde das Land als "Drogenstaat" dargestellt. Ubisofts Antwort gegenüber dem Nachrichtenportal Reuters betont, dass Bolivien aufgrund seiner "herrlichen Landschaft und reichen Kultur" ausgewählt wurde. "Wie alle Tom Clancy-Games von Ubisoft findet das Spiel in einem modernen, von der Realität inspirierten Universum statt, wobei aber die Charaktere, Schauplätze und Geschichten allesamt Fantasiegebilde sind, die ausschließlich zu Unterhaltungszwecken geschaffen wurden", so die Pressestelle der Firma weiter.

Ob es an dieser wahrscheinlich für Bolivien wenig zufriedenstellenden Erklärung lag oder an nachlassendem Interesse: Die Beschwerde zog keine Folgen nach sich. In anderen Fällen verbieten Länder schon einmal Spiele, in denen sie schlecht wegkommen. 2011 etwa hat der Iran den Verkauf von Battlefield 3, das unter anderem einen Konflikt in der und um die Hauptstadt Teheran herum darstellt, verboten.

Fabian W. W. Mauruschat

Fabian W. W. Mauruschat

Fabian ist Journalist, Dozent und Autor. Er schreibt für seinen Blog Fischpott, podcastet im Kopfkinocast über Rollenspiele und hat das Buch »Eine kleine Geschichte der Videogames« geschrieben.